Liebe Gemeinschaft,
wir haben uns heute hier versammelt um gemeinsam dem Kapitalismus zu huldigen. Ich lade Sie ein, gemeinsam mit mit das Glaubensbekenntnis zusprechen:
Ich glaube an den Kapitalismus,
an das profitausgerichtete Arbeiten,
an die Gemeinschaft in Wettbewerb zueinander,
an den Erlass von Staatsschulden
an die Auferstehung aus der Krise
und das luxuriöse Leben im Konsumüberfluss.
Der Glaube an den Kapitalismus hat einen Siegeszug hingelegt, der seines gleichen sucht. Von der Antike bis in die Jetzt-Zeit hat er Einzug erhalten in Alles und Jedem von Uns. Nun richtete Geld, nicht nur über unser irdisches Leben, nein auch das Sterben, muss man sich heutzutage einmal Leisten können. Wie heißt das Sprichwort so schön: Nicht einmal der Tod ist gratis, denn der kostet ein Begräbnis.
Aber vielleicht tröstet Sie dieser Gedanke in dunklen Stunden, dass zwar unser Körper vergänglich ist, doch der Kapitalismus bleibt. Er überdauert uns, zumindest für zwanzig Jahre. Denn so lange läuft die Nutzungsgebühr unseres Grabes, in das wir eingebettet werden.
Ich kann gar nicht oft genug erwähnen, wie wichtig der Glaube an eines der höchsten Güter im Kapitalismus ist: das Geld. Es ist nur ein sensibles Stück Papier. Zu klein um eine Rede darauf zu notieren, zu ineffizient um damit Wärme zu erzeugen, nicht nahrhaft genug um es zu verspeisen. Ja, erst der Glaube an den Wert dieses Stück Papiers macht Geld so bedeutend.
Denkt an die dunklen Zeiten, wo dieser Glaube erschüttert wurde und die österreichische Krone plötzlich nichts mehr wert war. Man ist da gestanden mit diesen Scheinen in der Hand und niemand wollte ihn gegen Essen eintauschen, ja nicht einmal gegen Brennholz. Erst in solchen Momenten merkt man erst, wie wichtig der Glaube ist.
So lasset uns beten dafür, dass dieser Wertglaube niemals enden möge:
Kapitalismus unser auf Erden,
gewürdigt werde die freie Marktwirtschaft,
die Wertschöpfung komme,
der Wille vom Hedgefond geschehe
an der Börse, so wie am Kapitalmarkt.
Unser tägliches Geld gib uns heute
und verzinse unsere Schulden,
ja auch wir verzinsen
unsere Schuldner.
Und führe uns hin zur nächsten gewinnbringenden Aktie,
erlöse uns von der Deflation,
denn das Geld hat die Kraft
für erkaufte Herrlichkeit in gelaubter Ewigkeit.
Im Namen der Finanzwirtschaft, der heiligen Anleihe, der Rendite.
Amorisation
Trotz des enormen Zuspruchs gibt es immer wieder Menschen, die Zweifel am Kapitalismus haben. Ich sage, gebt eure Bedenken dem Kapitalismus gegenüber auf, denn sie können weitreichende, ja sogar gesundheitsschädliche Folgen haben.
Unlängst erst sprach ich mit einer Frau, die meinte sie würde nicht mehr zum Arzt gehen. „Ich gehe zu niemanden, der dafür gedacht ist Leute gesund zu machen, aber nur dann etwas verdient wenn sie Krank sind“, hat die Dame mir verkündet.
Also liebe Gemeinschaft,
diese Vorwürfe sind doch lächerlich. Da könnte man doch gleich annehmen, dass ein Zahnarzt gesunde Zähne anbohrt, weil ihm das Geld für den gebuchten Urlaub noch fehlt.
Gut, soll schon vorgekommen sein. Aber vielleicht liegt, das nur daran, dass wie wir unseren Begriff von gesund noch einmal grundlegend überdenken sollten. Wer sagt uns denn was gesund ist?
Da gibt es nur einen verlässlichen Partner, die Wirtschaft. Die Zweifler wollen Beweise, kein Problem.
Vor 1980 machten Zigaretten noch schlank, athletisch und halfen sogar gegen Asthma. „Genehmige deinem Rachen Erholung. Rauche eine frische Zigarette!“, riet ein gestellter Arzt von jeden Werbeplakat. Nun werden auf jeder Zigarettenpackung Raucherlungen und schwarze Zehen abgebildet.
Nun fragt sich einer, wer hatte Recht. Der Arzt vor 1980 oder die Raucherlunge von heute. Ich sage, verlassen Sie sich auf die Wirtschaft, die weiß was gut für sie ist. Vor 1980 dachte man noch Rauchen beflügelt die Wirtschaft. Heute weiß man, dass trotz hoher Tabaksteuer, die Kosten für Krankheit und frühen Tod nicht gedeckt werden. Rauchen ist unwirtschaftlich, deswegen ungesund.
Jetzt höre ich schon die Skeptiker rufen, was ist mit Alkohol, doch mit dem Alkohol verhält es sich ganz anderst. Die Steuern darauf bringen satte Gewinne, trotz Millionen Alkoholabhängiger. Es ist wirtschaftlich und deswegen werden sie auch niemals ein Bild von Leberzirrhose auf einer Wodkaflasche finden.
Ja, schon von Klein auf an hat der Kapitalismus auf Euch acht gegeben. Er hat dafür gesorgt, dass Ihr in den Kindergarten gesteckt wurdet, damit eure Eltern unbeirrt verdienen können. An den Konsum wurdet Ihr langsam herangeführt mit einem Taschengeld, das immer mehr wurde. Ihr hast fleißig gelernt, damit Ihr eines Tages auch ein Gehalt beziehen könnt, von dem Ihr ganz nach dem Vorbild euerer Eltern, würdig weiter konsumieren könnt.
Ja, auch Ihr sollt wiederum eure Kinder in das scheinheilige System des Kapitalismus einführen. Nehmt nur 4 Monate Karenz, dass reicht völlig. Dafür leistest Ihr euch den bilingualen Privatkindergarten mit selbstgekochtes Essen, wo die Kleinen mit zwei Jahren schon das Schreiben lernen und den straffen Zeitplan der Arbeitswelt durch Frühforderung kennen lernen.
Lehret eure Kind von klein auf an, den Kreislauf des Geldes. Nur wer Geld hat, kommt zu guter Bildung und wer gute Bildung hat, kommt zu Geld.
In diesem Sinne, beende ich nun meine Kapitalismusmesse mit dem Segen:
Möge der Gewinn Ihnen entgegenkommen.
Möge das Urlaubsgeld Ihnen den Rücken stärken.
Möge der Konsum ihr Gemüt erhellen.
Und möge der Kapitalismus weiter schützend seine Hände über uns Alle halten.