Establishment

Zur Bundespräsidentenwahl am 4 Dezember 2016

Ich gehöre jetzt zum Establishment. Ja, ich wurde upgegradet. Hab mich immer für solide Mittelschicht gehalten, aber ich bin jetzt Establishment.

Gut, ihr lacht, aber so weit ich mich hier umschaue, gehört ihr neuerdings auch alle zum Establishment. Denn ich zweifle daran, dass sich hier jemand bei der Wahl am 4 Dezember für den Discounter gestimmt hat. Und Professor Präsident vertritt nun mal das Establishment.

Also mich hat meine Upgrading schon geschockt.

In der Schule wurde ich immer ausgelacht, wegen den bunten Hosen, der selbst gestrickten Haube und so. Ja, zu den coolen Kids hab ich nie gehört, die Koma saufen und von der Schule fliegen. Und jetzt!? Jetzt gehöre ich plötzlich zum Establishment.

Und ich frage mich nur, wie ist das passiert?

Ich hab nicht mal so genau gewusst was Establishment heißt.

Laut Wikipedia-Definition bezeichnet Establishment: Eine wirtschaftlich und gesellschaftlich einflussreiche Klasse, eine etablierte Elite.

Darin erkennt man sich doch wahrlich wieder. Vor Allem als Student. Ich fühle mich auch immer als Teil einer einflussreichen Klasse, wenn ich in den spärlich gefüllten Kühlschrank schaue. „Was gibt’s zu Essen? Jo fein, Nudeln mit Soße. Hat ich schon seit heute Mittag nicht mehr!“

Der Begriff Establishment wurde geprägt durch die Jugend- und Studentenbewegung der mittleren 1960er als kritische Bezeichnung für die herrschenden Kräfte, deren Tun auf Festigung ihrer Macht und Unterdrückung der nicht privilegierten Schichten ausgerichtet war.

Mit anderen Worten, wir sind zu dem geworden, was wir einst bekämpft haben.

Nur sind wir das? Eine privilegierte Klasse?

Durchschnittlich hat ein Student zwischen 500 und 700 Euro monatlich zu Verfügung. Das ist weniger wie die Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Mindestsicherung beantragen als Student? Viel Glück! Die ist doch nicht da um eine Ausbildung zu finanzieren, also vergiss es!

Du bekommst ja nicht mal Arbeitslosengeld, wenn du deinen 20 Stundenjob verlierst. Anspruch hättest du ja rein theoretisch, da du auch Steuern gezahlt hast. Aber praktisch halt nur, wenn du dich vom Studium abmeldest. Also schmeiß dein Studium hin, melde dich Arbeitslos, dann kannst du übrigens auch Mindestsicherung beantragen.

Perspektivlosigkeit wird belohnt. Parteilich sogar gefördert. Staatlich abhängige Sozialhilfeempfänger sind treue Wähler.

Und willst du dein Studium trotz alle der geldlichen Argumente noch immer nicht aufgeben? Dann musst du dich aber schon auch engagieren, dass bist du dem Staat schuldig. Also bitte neben dem Lernen für die Knock-out Prüfungen, deinen 20 Stunden „Nebenjob“ hilf auch noch mit beim West- oder Hauptbahnhof. Du musst denn Staat schon etwas zurückgeben, wenn du ihn so viel kostest.

Ehrenamtliche Arbeit spart den Staat ca 16 Milliarden im Jahr. 54% der ehrenamtlich aktiven Personen sind Studenten und Hochschulabsolventen. Das heißt ca 8,56 Milliarden gratis Arbeit für den Staat und das obwohl der Staat an der Ausbildung von Akademikern verdient. Durch die Steuereinnahmen des zukünftigen Gehaltes werden die Ausbildungskosten gedeckt. Laut der OECD Studie macht der Staat so ein Gewinn von 37 586 Dollar pro ausgebildeten Akademiker. Wenn der Student, die Studentin vor hat in Österreich zu bleiben.

Was immer weniger tun. Überhaupt nicht verständlich, besonders als Frau, liegt Österreich bei der Lohngerechtigkeit doch nur an vorletzter Stelle in der EU.

Also wird weiter Hetze gegen die ach so teuren Studenten betrieben, statt sich einmal zu fragen, was es eigentlich brauchen würde, damit sie hier bleiben würden.

Und dann, nur weil man noch nicht frustriert genug ist um hasszerfressene Parolen zu schreien und all das existierende Übel den Ausländern in die Schuhe schieben. Nur weil man im Geschichtsunterricht aufgepasst hat und keine Chance geben möchte, dass der historischen Tiefschlag an Unmenschlichkeit sich wiederholen kann, gehört man plötzlich zur einflussreichen Klasse.

Ist ein gebildeter Privilegierter.

Ist Establishment.